Quedlinburg
Das Leben im Wald spiegelt sich im Ton
wider
VON RITA KUNZE
Dagmar B. Leinhos mit
Rhodesian-Ridgeback-Hündin Kianga in ihrer Werkstatt.
(FOTO: MARION POCKLITZ)
QUEDLINBURG/MZ.
Mit federnden Schritten läuft die langbeinige Kianga dem Besuch
entgegen. Die junge Hündin ist die Begleiterin von Dagmar B. Leinhos,
aber nicht die einzige vierbeinige Gesellschaft. Denn die Keramikerin
hat ihre Werkstatt mitten im Wald eingerichtet, wo es Rehe gibt und
Wildschweine, wo Dachs und Fuchs ihr Revier haben. Ihren "gezähmten
Sonnenflecken" nennt Dagmar B. Leinhos ihr 100 Jahre altes Haus, und
wer an einem sonnigen Vormittag in ihrer Werkstatt steht, kann
vielleicht ahnen, warum. Weich strömt das Licht durch die Fenster und
schmeichelt den Schalen, Tellern, Tassen, Kannen oder Vasen auf dem
Tisch und im großen Regal, das die gegenüberliegende Wand in Gänze
einnimmt.
Mit 40 Jahren hat sich die
Ökonomin aus der "organisierten Arbeitswelt" zurückgezogen, wie sie
sagt, und angefangen, das Töpferhandwerk zu erlernen. "Mich
interessierte vor allem die handwerkliche Erfahrung. Ich arbeitete in
unterschiedlichen Töpferwerkstätten und habe von den unterschiedlichen
Erfahrungen der Meister viel gelernt." Inspiriert wird sie von der
Natur, die sich in Farben, Formen und Motiven wiederfindet. Die
Vielfalt ist groß; "Schnee auf dem Kilimandscharo" heißt ein Gefäß, das
in seiner Farbgebung an den berühmten Berg in Ostafrika erinnert, ein
paar Schritte weiter schmücken zarte Mohnblumen einen Teller, auf
anderen Gefäßen haben Holz sowie Stein ihre Spuren hinterlassen.
Im
September präsentierte Dagmar B. Leinhos einen Teil ihrer Arbeiten in
einer Ausstellung im Quedlinburger Kunsthoken. Darunter einen
Wandteller, der unter dem Titel "Tsunami Light" einen Menschen zeigt,
der durch die Luft gewirbelt wird: "Ein Spielball der Natur", sagt die
Künstlerin. Ihr Anliegen ist eindeutig: "Ich möchte, dass der Mensch
eine Demut vor der allgegenwärtigen Natur begreift."
Für
sie selbst gehört das zum Alltag. "Seit 30 Jahren lebe ich hier im
Wald", sagt sie. In einem Haus, "das ständig die Kräfte der Natur
spüren lässt." Ein Stück Natur hat denn auch jeder in der Hand, der
eine Schale, eine Tasse oder einen Teller von Dagmar B. Leinhos sein
Eigen nennt. Im verarbeiteten Ton schwingen die Stimmungen der
Jahreszeiten mit, spiegeln sich die Farben der Natur wider.
Als
sie ihre Keramikwerkstatt aufbaute, hat Dagmar B. Leinhos Gefäße aus
Steinzeugton hergestellt. "Mit einem Kipper habe ich zehn Tonnen
Grubenton aus dem Erzgebirge geholt", erinnert sie sich. Und an eine
Töpferscheibe zu kommen, ähnelte zu DDR-Zeiten einem Autokauf: "zehn
Jahre Wartezeit". Das Gerät versieht noch immer seinen Dienst, auch
wenn die Keramikerin inzwischen seltener daran arbeitet: "Ich baue
Gefäße lieber, das inspiriert mich mehr."
Die
Irdenware wird in Fayencetechnik bemalt und in einem großen Elektroofen
gebrannt. Dass die Dinge schön anzusehen sind, reicht Dagmar B. Leinhos
jedoch nicht: "Meine Arbeiten sind vorwiegend zum Benutzen da." Sie
sollen praktisch und ästhetisch zugleich sein.
Quelle: Mitteldeutsche Zeitung